Psychotherapeut Kt. Bern

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Sandra
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Re: Psychotherapeut Kt. Bern

#16 Beitrag von Sandra » Sonntag 15. April 2012, 17:11

@Tanja

Ich erlaube mir Dich aus einem anderen Fred hier zu zitieren:
Von da an ging alles sehr schnell. Anfangs beschaffte ich mir die Hormone selber, im November liess ich ein Gutachten am Unispital Zürich erstellen damit ich Zugang zu einem Rezept erhielt. Im Februar 2012 folgte die offizielle Vornamensänderung. Und schliesslich wird am 21. Mai meine GaOp bei Dr. Daverio in Lausanne stattfinden. Naja, ich habe lange genug gewartet und bin nun froh, dass alles so schnell und ohne die geringsten Probleme abläuft. Ich habe bis heute keine einzige Diskriminierung erlebt - weder von meinen Kunden noch von Behörden oder Verwandten/Bekannten oder von sonst wem in der Öffentlichkeit. Es sind erst 8 Monate vergangen seit meinem endgültigen Outing aber es kommt mir heute bereits wie eine Ewigkeit vor, als wäre ich schon immer die Frau xxx gewesen.
In "nur" 10 Monaten vom Alltagstest bis zur GAOP - wow, das dürfte neuer Rekord sein...

Könntest Du vielleicht noch etwas detaillierter schildern, was Dir genau so geholfen hat, den ganzen Prozess in dieser Kürze zu meistern? Ich bin Dir für jeden Tip dankbar, denn irgendwie komme ich in meiner Therapie nicht vom Fleck und Hormone bekomme ich schon gar keine, bevor der einjährige Alltagstest absolviert ist...
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Tanja
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Re: Psychotherapeut Kt. Bern

#17 Beitrag von Tanja » Sonntag 15. April 2012, 22:35

Hallo Chiara

In nur 10 Monaten vom Alltagstest zur GaOp. Ja, das scheint tatsächlich eine recht kurze Zeit zu sein wenn ich das mit anderen vergleiche. Aber bedenke, die Zeit von der ersten Hormoneinnahme bis zur GaOp ist eigentlich nur die Schlussphase eines jahrelangen - wenn nicht jahrzehntelangen - Prozesses der Selbstfindung oder wie man das nennen soll. Es ist halt diejenige Phase wo eine Abhängigkeit von offiziellen Stellen entsteht. Allein diese Stellen zu finden, oder anders ausgedrückt, die Frage "wo oder bei wem kriege ich das Nötige um meinen Weg zu vollenden" hat mich die ersten 4 Monate gekostet. Ich habe von Juli bis Oktober brav meine selbst beschafften Hormone geschluckt und mich informiert, wie ich an die Notwendigkeiten komme.
Dies sind ja bekannterweise die folgenden 4 Dinge:
- Gutachten ICD10 F64.0, .8 oder .9 --> Voraussetzung für:
- Rezept für Hormone
- Verfügung Zivilstandsamt für Namensänderung
- GaOp
Nun , vor all diesen Dingen kommt aber die ALLERWICHTIGSTE VORAUSSETZUNG:
- Psychische Stabilität!
Denn ohne die wirst Du niemals das Gutachten erhalten.
Bei mir ist das halt der springende Punkt. Ich hatte zwar auch meine schwierige Zeit, aber das ist mittlerweile über 20 Jahre her. Noch bevor ich meine jetzige Partnerin kennengelernt habe. Damals dachte ich auch daran, zu einem Psychotherapeuten zu gehen. Auch ich dachte mal an Suizid. Aber ich darf mit ruhigem Gewissen behaupten dass ich mental immer sehr stark war und es heute mehr denn je bin. Ich habe mich dann immer selbst rausgezogen, mir gesagt ich sei doch selber stark genug um die Probleme in den Griff zu bekommen. Suizid kann keine Lösung sein. Höchstens würden sich vielleicht einige darüber freuen wenn ich weg von der Bühne bin. Diese Freude wollte ich niemandem gönnen. Schliesslich gehören wir Frauen zum starken Geschlecht - also zeigen wir das der Welt auch! (Die männlichen Leser mögen mir verzeihen...) Mein Vorname Tanja (habe ich mir bereits mit 17 gegeben) ist die Kurzform vom russischen Tatjana, was "die Kämpferische" bedeutet. Und so habe ich mich dann auch immer gefühlt wenn ich im Schlamassel steckte. Und ich stellte mich der Herausforderung und kämpfte anstatt zu resignieren. Zudem habe ich berufsbedingt die Eigenschaft, ein vorhandenes Problem zu analysieren und gezielt Lösungen dazu zu suchen und auch zu finden. Ein Problem ist keines mehr sobald man es bzw. die Ursache davon erkannt hat. Das ist meine Auffassung. Eine vielleicht eher männliche Denkweise aber das soll ja zwischendurch auch für eine Frau mal erlaubt sein.

Eine Psychotherapie habe ich demnach nie gebraucht und mache auch keine. Letzten Sommer rechnete ich aber aufgrund von meinen Recherchen im Internet (Blogs, dieses und andere Foren) noch fest damit, eine Therapie mit Alltagstest machen zu müssen (streng nach den standards of care).
Dass es auch anders geht, habe ich aber bewiesen. Ich kann Dir und allen anderen welche am Anfang dieses Prozesse stehen sagen: Es ist heutzutage möglich, direkt ein Gutachten erstellen zu lassen. Dieses Gutachten ist der Türöffner für die weiteren Schritte. Alles andere was folgt ist dann eine reine Formsache.
Im übrigen spreche ich bei mir nicht von Alltagstest. Ich mache nämlich gar keinen. Mein ganz normales Leben ist der Test. Aber es ist eben kein Test sondern das alltägliche Leben als Frau an sich.

Als ich endlich die nötigen Anlaufstellen zusammengekratzt hatte, habe ich Ende Oktober letzten Jahres beim Unispital Zürich, psychiatrische Polyklinik angerufen und direkt nach einem Gutachten gefragt. Dr. Garcia (der zuständige Oberarzt) wollte mich zuerst ins "Standard-Programm" eingliedern, d.h. Psychotherapie u.s.w. mit 6 Monaten Wartezeit aufgrund von Platzmangel. Ich nutzte sogleich aus dass ich ihn am Telefon hatte und schilderte ihm in wenigen Sätzen meine Lebensumstände wie intakte Beziehung, gute soziale Integration, guter Job mit eigener Firma etc. Nach anfänglichem Zögern stimmte er dann doch zu und lud mich bereits für den 9. November zur ersten Session ein. Die dauerte 2h und wurde von Frau Dr. Opretzka durchgeführt. Sie hat mir bereits am Ende dieser Session gesagt, ich soll mir wegen des Gutachtens keine Sorgen machen, ich sei eindeutig eine Frau. Aber sie müsse 2 weitere Sessions durchführen, das wäre Standard. Also gut, fuhr ich am 18.11. zur zweiten Session nach Zürich. Nach der 2. Session hat sie dann abgebrochen und gesagt, wir könnten uns die dritte sparen, der Fall sei klar. Dann noch Schlussbesprechung mit Dr. Garcia - und Tschüss. Das Gutachten habe ich dann am 22.12. in der Post gehabt.
Also, GEHT DOCH!
Aber eben, ich bin psychisch absolut stabil und vollständig geoutet bzw. in der Gesellschaft integriert. Ohne das wird's nicht gehen. Und daran muss Du arbeiten. Denn die Gutachter werden das schon rausfinden ob dies der Fall ist.
Die weiteren Schritte wie Hormonrezept und Namensänderung waren dann eine reine Formsache.
Dann am 26. März Termin bei Dr. Daverio in Lausanne. Normalerweise verlangt er 2 unabhängige Gutachten und ich rechnete damit, dass ich meine Story erneut von A-Z einem Gutachter erzählen müsste. Aber Dr. Daverio hat in unserem Gespräch offenbar einen solchen Eindruck von mir gewonnen, dass er schliesslich auf das 2. Gutachten verzichtete. Auch hier: GEHT DOCH! Schliesslich haben wir den GaOp-Termin auf den 21.5. festgelegt.

Sorry, ich schreibe immer soviel... aber es gäbe noch viel mehr, ich sollte wirklich mal ein Buch verfassen...

Nun zu Dir:
Du siehst, Du musst zuallererst Deine Psyche stabilisieren. Du schreibst im Vorstellungs-Thread ganz deutlich dass Du Probleme hast und mit Dir schleppst welche teilweise 30 Jahre alt sind. Versuche mal, diese Probleme genau zu identifizieren. Schreib Dir mal auf einem Blatt Papier, was Dir dazu gerade einfällt. Versuche, diese Probleme weiter zu zerlegen, zu finden ob es Ursachen sind oder nur Folgen von anderen Ursachen. Und dann überleg Dir für jede dieser Ursachen, was passieren müsste damit diese nicht mehr wirksam ist. Dann überleg Dir, wie Du das was passieren müsste, auslösen könntest. Überleg Dir, ob es in Deinen Möglichkeiten steht oder ob eine Abhängigkeit von Aussenstehenden besteht.
Aber weisst Du, ich bin eben keine Psychologin und ich weiss auch viel zuwenig über Deine Probleme als dass ich jetzt gezielt ein paar Tips geben könnte und alles gut werden würde. Es wäre hilfreich wenn Du dazu etwas detaillierter berichten könntest. Wenn Du's nicht öffentlich machen möchtest, dann kannst Du mir auch ein eMail schicken.
Hormone zu beschaffen wäre überhaupt kein Problem. Ganz legal. Aus Deutschland. Der Zoll hat mir 2 Lieferungen geöffnet und problemlos durchgelassen. Darf halt nicht mehr als eine Monatsration pro Lieferung sein. Dann ist's kein Problem. Aber ich kann momentan nicht beurteilen ob Dir nun Hormone aus Deinem Dilemma raushelfen oder das Ganze noch schlimmer machen würden. Ich weiss einfach im Moment zuwenig über Dich.

Melde Dich doch.

Liebe Grüsse (und natürlich viel Kraft - denk daran, die hast Du, tief in Deinem Inneren wartet sie nur darauf entdeckt und losgelassen zu werden- Du bist schliesslich eine Frau!)

Tanja
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Re: Psychotherapeut Kt. Bern

#18 Beitrag von Sandra » Montag 16. April 2012, 16:07

Tanja hat geschrieben: Nun , vor all diesen Dingen kommt aber die ALLERWICHTIGSTE VORAUSSETZUNG:
- Psychische Stabilität!
Hallo Tanja

Merci für Dein tolles Feedback!

Die Ursache für meine psychische Destabilisierung liegt in der jahrzentenlangen Unterdrückung meiner Gefühle. Als Folge dieses Drucks und im Unwissen meiner (eigentlich lösbaren) Probleme habe ich mich in ein Sucht- und Zwangsverhalten geflüchtet, das mich psychisch und finanziell ruiniert hat, d.h. ich habe aktuell weder Job noch bin ich sozial integriert oder lebe in einer stabilisierenden Beziehung. Hinzu kommen private Schicksalsschläge wie die Scheidung oder den Tod meines Vaters. Du siehst ich bin ziemlich weit unten angelangt. Um nun diesen Teufelskreis zwischen Identität/Gefühlen und Sucht/Zwang zu durchbrechen muss ich mich, gemäss Psychiater, mit meiner Transidentität konfrontieren und aktiv die Umsetzung meiner Identität vorantreiben. Wie ich das machen soll, ohne jegliche Unterstützung von z.B. Hormonen, ist mir einfach ein Rätsel - denn ich bin nicht gerade "feminin" gebaut... Und so stecke ich eigentlich seit zwei Jahren in diesem Zustand (äusserlich Mann - innerlich Frau) fest und komme keinen Schritt voran.
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