Lieber operiert als therapiert?

Epilation, Hormone, OP
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Cornelia_D

Lieber operiert als therapiert?

#1 Beitrag von Cornelia_D » Mittwoch 16. Februar 2005, 14:57

Transidentische Menschen - so bezeichnen sie sich selbst - stoßen gemeinhin auf Ablehnung, Spott und Skepsis, bestenfalls auf voyeuristische Neugier. Und das nicht nur in ihrem privaten und beruflichen Umfeld, sondern auch in den Reihen der professionellen Helfer.

"Die sind doch hochgradig gestört"
"Das muss man doch wegtherapieren können"
"Geschlechtsumwandlung funktioniert eh nicht"
"Die Operateure sind größenwahnsinnig"

- gängige Vorurteile, die auch unter Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern kursieren. Die Frankfurter Psychologin Andrea Dumke-Marechal kritisierte auf einer Fachtagung der bundesweiten Selbsthilfegruppe Transidentitas den Mangel an Wissen und Interesse, der unter ihrer Kollegenschaft über das Thema Transsexualität besteht. Weder im Psychologiestudium noch bei der Zusatzausbildung "Sexualtherapie" lerne man ausreichend und überdies wirklich Aktuelles über Transsexualität.Doch auch die Betroffenen sind auf Psychotherapeuten oft nicht gut zu sprechen. Eines der Leitsymptome für Transsexualismus, die Volkmar Sigusch, Direktor der Abteilung Sexualwissenschaft an der Universitätsklinik Frankfurt, beschreibt, ist "die regelhafte Ablehnung von Psychotherapie"

Kastration ist eine natürliche Maßnahme, Psychotherapie eine widernatürliche. Die Krankheitseinsicht fehlt im Allgemeinen, Schwierigkeiten kommen für sie von außen, erklärt Sigusch. Alles, was Transsexuelle von ihrem Behandler haben wollen, ist der Schein für die OP, bestätigt auch Andrea. Dass Psychotherapie allerdings eine wichtige Unterstützung auf dem schwierigen Weg zum anderen Geschlecht sein kann, hat sie selbst erfahren. Für mich stand jahrelang fest, dass alle meine Probleme - das Trinken, die Gewalttätigkeit, das Unglücklichsein - sich in Luft auflösen würden, wenn ich erst operiert bin, erzählt sie, aber natürlich waren sie danach immer noch da.

Andrea hält deswegen die postoperative therapeutische Begleitung für besonders wichtig. Doch die, so hat sie es jedenfalls erlebt, funktioniert in der Praxis nicht sehr gut. "Ich hatte das Gefühl, dass ich nach der OP für meinen Behandler als Fall abgehakt war, einfach nicht mehr interessant", sagt Andrea.

Probleme bei der postoperativen Nachsorge sieht auch Wilhelm Preuss, Psychiater und Psychotherapeut in der Abteilung Sexualwissenschaft in der Uniklinik Hamburg (UKE).

"Nur etwa ein Viertel der Patienten bleiben nach der OP bei uns in der Behandlung", schätzt er. Aus seiner Sicht jedoch, weil die Betroffenen dann ihr Ziel erreicht hätten und kein Bedarf mehr an weiteren Gesprächen bestehe. Die Hamburger Uniklinik ist die einzige Anlaufstelle für transsexuelle Menschen aus Stadt und Umland. Für die therapeutische Begleitung seiner Patienten wünscht Preuss sich mehr niedergelassene Kollegen - denn die Behandlung in einer Hand wirft viele Probleme auf. Viele sehen in Preuss ausschließlich den Menschen, der ihnen die Indikation zur ersehnten Transformationsoperation ermöglichen kann. Mit diesem häufig auch aggressiv vorgetragenen Anliegen kommen die meisten Patienten zu ihm. Die nötige Offenheit für eine Psychotherapie sei bei diesem Abhängigkeitsgefüge oft nicht gegeben, so Preuss.

Keinesfalls dürfe man als Behandler in Versuchung kommen, dem Patienten seinen Wunsch ausreden zu wollen, sagt Preuss. Wichtig sei vielmehr, eine innere Stimmigkeit und Konstanz des Identitätsgeschlechts herzustellen. Viele hätten keinen Zugang zu ihrem Leiden, zu ihrer Depressivität oder Aggressivität, weil alle Konflikte mit dem falschen Körper assoziiert würden. Diplompsychologin Sophinette Becker von der Universität Frankfurt hebt hervor: "Wer sich mit transsexuellen Patienten psychotherapeutisch einlässt, muss sich mit eigenen heftigen Affekten auseinander setzen. Darunter tiefe Ohnmachtsgefühle, Gefühle des Manipuliertwerdens, aber auch mit Allmachtsphantasien."
All dies könne beim Behandler zur schroffen Ablehnung, Ratlosigkeit oder Aktionismus führen.Wilhelm Preuss betont auch, dass es sich hier um hochindividuelle Lebensläufe handelt, bei denen man nicht zu irgendwelchen Standardlösungen greifen könne. Die Gruppe derer, die man als "genuine Transsexuelle" ausmachen könne, sei eher klein. Erkennen könne man sie daran, dass sie das Unbehagen über ihr wahres Geschlecht schon im frühen Kindesalter verspürt hätten, der Wunsch nach dem Geschlechterwechsel sich später weitgehend durchgängig gezeigt habe und dies auch von Eltern und Bekannten bestätigt werde. Auch die Anpassung an das Leben im anderen Geschlecht sei bei diesen Menschen häufig schon in weiten Teilen vollzogen.Bei den meisten Transsexuellen müsse jedoch herausgearbeitet werden, ob das Gefühl, im falschen Geschlecht zu leben, nicht Ergebnis eines frühkindlichen Traumas, Erziehungsfolge oder Symptom einer psychischen Störung sei.
Schwedischen Studien zufolge werden bei etwa 30 Prozent der Transsexuellen psychische Störungen diagnostiziert - darunter viele Borderlinestörungen, aber auch paranoide oder narzisstische Persönlichkeitsstörungen.

Der Begriff Transsexualismus, so Preuss, sei überdies irreführend - nicht um Sexualität, sondern um Identität gehe es den Betroffenen. Viele leben aufgrund der strikten Ablehnung ihres Körpers ohnehin asexuell; rund ein Drittel, so Preuss' Schätzungen, sei vor der Operation sexuell inaktiv. Eine ebenso große Gruppe bleibe dies jedoch auch nach der vollzogenen Geschlechtsumwandlung."Letzten Endes müssen wir in jedem Fall herausfinden, ob die gelebte Anpassung an das gewünschte Geschlecht ein Leben lang tragen kann", erklärt Preuss. Transsexualismus könne man nicht wegtherapieren. Wer im Laufe einer Therapie völlig Abstand von diesem Gefühl nehme, sei nicht wirklich transsexuell gewesen, glaubt Preuss.

Viele Betroffene nehmen im Laufe der einjährigen Behandlung allerdings von der Idee einer Transformationsoperation Abstand und richten sich mit kleinen Lösungen (Hormonbehandlung/Kleiderwechsel) ein. Das beinhaltet bei einigen auch, den ständigen Wechsel vom einen zum anderen Geschlecht leben und aushalten zu können. Oder aber sich selbstbewusst als "drittes Geschlecht" zu bezeichnen - dies geht allerdings meist mit dem Leben in einer abgegrenzten Subkultur einher. Rund ein Drittel seiner Patienten, so schätzt Preuss, bekomme von ihm nach dem einjährigen Alltagstest die Indikation für eine Operation.

Andrea entlocken die Äußerungen Preuss' über "genuine Transsexuelle" ein schiefes Grinsen. "Wie will ein Behandler das denn erkennen?", spottet sie. Sie hat jahrelang als Ansprechperson für Betroffene fungiert und weiß, was sich in der Szene tut. Und sie kennt die Tricks, die Betroffene auf Lager haben.

Dina
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#2 Beitrag von Dina » Mittwoch 16. Februar 2005, 14:59

Dass sich die Probleme durch die OP nicht in Luft auflösen ist allgemein bekannt. Aber eben, wer hofft nicht insgeheim darauf...

So auch ich. Als ich jedoch aus der Narkose erwachte,merkte ich, dass ich immer noch der gleiche Mensch war wie zuvor; keines der Probleme war verschwunden, nicht einmal mein Identitätsproblem. Es hatte sich einfach verlagert zur Frage: jetzt bin ich Frau, was mache ich jetzt damit...

Zusätzlich kamen immer wieder Depressionen, die auf die Motivation drücken, eine Therapie anzufangen und auch durchzuhalten. Ich bin einfach nicht so stark wie ich sein sollte, um all das zu bewältigen und auch noch zu leben oder gar einen Job zu machen - und auch scheinbar nicht so stark wie ich aussehe... ;)

Dazu kommt, dass ich immer noch oft als Mann angesehen werde, sei es wegen der Stimme, oder wegen meinem halt eben kräftigen Körperbau - oder beidem, und wenn jemand nicht genau hinsieht, dass ich z.B. sichtbar grosse Brüste habe (notabene ohne Silikon...) Lange Haare und Schmuck sind eben längst nicht mehr Zeichen von Weiblichkeit...

Gut gibt es auch TS, die damit zurechtkommen, und sogar im Arbeitsprozess bleiben. Die werden in der Oeffentlichkeit bloss nicht so wahrgenommen, weil sie nicht ins Bild der TS als Problemfälle passen.

Grüessli Dina

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#3 Beitrag von Tari Eledhwen » Mittwoch 10. August 2005, 23:17

naja, liebe Diana, doch sie werden Wahrgenommen.. lies mal 20 min.. da steht vieles drüber... ^^

naja, gut, halt nur in der Regionalausgabe von Bern... hm.. naja.

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#4 Beitrag von Luisa » Freitag 12. August 2005, 17:25

Werte Neugiersmenschen

Bekannt sind wir Zweigeschlechter für unsere ungeheuere Kommentierlust. So haben auch jene 20Min Berichte den Niederschlag in unseren Strukturen gefunden.
Siehe unter: http://www.transensyndikat.net/forum/viewtopic.php?t=54

Grüessli

Luisa

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#5 Beitrag von Tari Eledhwen » Freitag 12. August 2005, 23:34

jup, sehe, es is doch bis ins Ferne Zürich gekommen...

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#6 Beitrag von Luisa » Sonntag 14. August 2005, 16:11

Tari Eledhwen hat geschrieben:jup, sehe, es is doch bis ins Ferne Zürich gekommen...
Werte Tari Eledhwen

Nein, böse Zungen würden behaupten dass der Arm des Transensyndikats bis in letzt entfernte Winkel reicht. Sicher ist, wir lesen und üben, wo es angebracht sei, auch Kritik. Diese Kritik kann auch überregional geschehen.

Liebi Grüessli

Luisa

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