Interview: Protestaktion gegen die Orsons (Berlin, 27.2.)

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ZeroPassing
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Interview: Protestaktion gegen die Orsons (Berlin, 27.2.)

#1 Beitrag von ZeroPassing » Donnerstag 21. März 2013, 18:47

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Kannst du dich kurz vorstellen?

Hi, ich bin die Unbekannte Nr.2 und Mitglied in der Antigenitalistischen Offensive, einer Berliner Aktionsgruppe
gegen anatomiebasierten und sonstigen Sexismus.
Die Antigenitalistische Offensive isz eine relativ neue, unbekannte Gruppe, in letzter Zeit haben wir u.a. eine kleine Protestaktion gegen den sexistischen TAZ-Reporter Jan Fedderssen bei Der Linken und diverse Aufklärungsaktionen in linken Berliner Räumen gestartet, darunter auch den Workshop "die Macht der Worte". Demnächst möchten wir dann eine Demo oder Kundgebung gegen das Gutachterverfahren zur Vornamensänderung nach dem dt. Transsexuellengesetz veranstalten, weil wir dieses für diskriminierend, entwürdigend und als heftigen
Unnötigen Eingriff in die Privatspäre mit diversen Machtmissbrauchmöglichkeiten sehen.

Ihr habt ja auch neulich eine Protestaktion gegen die Orsons gestartet.
Kannst du mal darüber erzählen?


Ja. Die Orsons sind eine gehypte Stuttgarter Gruppe mit Wurzeln in der deutschen Rapszene, die momentan bei Youtube für einige ihrer Songs innerhalb von Monaten
Die Millionengrenze erreicht haben, was Klicks betrifft.

Diese Gruppe hat sich im letzten Jahr bei einem Grand Prix angemeldet und dabei eine Geschichte aufgegriffen, wobei es um eine Frau geht, die früher in der NPD war und jetzt in der Linken ist. Nach Meinung der Orsons und der BILD-Zeitung war diese Frau früher ein Mann, aber wir sehen das nicht so.

Im Text wird dann eben mehrfach über ihren "abgeschnittenen Hodensack" erzählt, ihr früher zugeteilter Name gegröhlt usw.

Der ganze Song ist letztendlich ein Hetzsong und es geht dabei auch nicht um die politische Änderung Monikas, sondern schlichtweg die ganze Zeit um ihren Körper,
ihre Genitalien usw.

Viele Leute, denen ein falsches Geschlecht zugewiesenen wird oder wurde haben sich dann sehr bald über diesen Song beschwert, weil er ein Klima heraufbeschwört, in dem gegen sie gejubelt wird, Leute sie angreifen, auslachen,
aber die Orsons haben das ignoriert. Ihr Label Chimperator genauso.
Erst als der Menschenrechtsverein ATME e.V. im September letzten Jahres eine
Klage wegen Volksverhetzung startete und mehrere Briefe an das Label Chimperator
Und die Orsons selbst verfasste, kam eine Antwort.

Die Orsons haben sich dann später zwar per Facebook bei ATME e.V. entschuldigt, sie spielen den Song aber dennoch weiterhin auf ihren Konzerten.

Und das ist ja lächerlich. Was bringt denn eine Entschuldigung, wenn man das, wofür man sich entschuldigt hat, direkt wieder und wieder macht?
Außerdem haben die Orsons auf ihren Konzerten wohl auch immer wieder den Song "Born this way" von Lady Gaga zitiert bevor sie "Horst und Monika" gespielt haben, wobei sie sich ganz sicher bewusst waren, dass das zu einer sexistischen und auch homophoben Stimmung oder Verstärkung dieser Stimmung beiträgt.

Nebenbei hat sich Monika auch selber beschwert und nachher geklagt, die ganze Sache ist auch eine krasse Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.
Also erst hat die NPD ihre Geschichte zu ihrem Wahlkampf veröffentlicht und
Dann hat die BILD daraus eine hässliche Geschichte gemacht, worin sie Monika
Auch als rechten Schläger hingestellt hat. Die Orsons haben das dann aufgegriffen.

Wie ist die Protestaktion verlaufen?

Sie läuft noch.
Aber wir sind am 27. Februar zur C-Hall gefahren mit Transpis, selbstgedruckten Flyern und Schildern, da war
ein Orsons-Konzert und haben den Leuten erklärt, dass wir den Song und die Reaktion der Orsons für bedenklich und mies halten.

Es ist eben so, dass in diversen Foren, wo es um Ops, Vornamensänderungen usw. geht, also für falsch zugewiesene und Transmenschen, Threads waren über den Song und überall mindestens die Hälfte der Leute gesagt haben, dass sie sich dadurch beleidigt und persönlich angegriffen fühlen.

Es muss auch viele Briefe und Emails von einzelnen gegeben haben, die die Orsons und Chimperator angeschrieben haben.

Wir haben dann erstmal mit Kreide verschiedene Sachen auf den Boden gemalt von der U-Bahn Station "Platz der Luftbrücke" bis zur C-Hall, hatten per Mails und in Foren auf die Aktion hingewiesen, aber es ist keiner gekommen, den wir nicht schon persöhnlich kannten.

Ich habe aber mehrfach Lob bekommen von einzelnen, auch unbekannten Leuten, Mails und PNs.

Eine aus Leipzig hat geschrieben, dass sie sehr gern dabei wäre, nur die Distanz zu groß.

Also wir haben dann verschiedene Sprüche auf den Boden gemalt, zum Teil spontane und waren ein bisschen verkleidet, weil wir nicht erkannt werden wollten, haben uns mit Leuten vor der Halle unterhalten und Flyer verteilt. Zum Teil gab es Streitgespräche, manche Leute haben verstanden, was wir machen, andere haben uns gedisst. Nachher wurde auch ein Schild von uns zertreten.

War das nicht anstrengend, so als kleine Gruppe vor einem Haufen Fans?

Schon. Aber ich hatte dadurch auch das Gefühl, die Aktion bringt was. Was ätzend war, war, das einigen von uns "Horst und Monika" entgegengerufen wurde. Und zwar nicht, weil die gesehen haben, was wir machen, sondern nur wegen Äußerlichkeiten. Das hat mir Bestätigung gegeben.

Wieviele Leute waren da und wie waren die Reaktionen insgesamt?

Also am Anfang waren die Leute gegen uns, aber interessiert, dann bin ich zwischendurch ein bisschen sauer geworden und es gab Streit, was ich besonders ätzend fand, war, das ein Typ mehrfach meine, mich als Mann bezeichnen zu müssen, also auch das, was ich befürchtet hatte. Ich hab dann gesagt, dass er kein Recht dazu hat. Und bin wütend weggegangen.

Nachher waren 200 oder 300 Leute da, aber als wir unser Transpi vor einem Stromkasten aufgehängt hatten und die meisten Flyer verteilt und die Schilder aufgestellt, sind wir gegangen.

An der Bahn kamen uns halt noch angetrunkene Leute entgegen, die ziemlich ätzend waren und nachdem sie einen Flyer bekommen haben, meinten, rumpöbeln zu müssen.

Seid ihr auch schon mal konstruktiv kritisiert worden?

Also auf der Aktion wurde mehrfach gesagt, dann sollten wir doch auch gleich mal zu Buschido und K.I.Z. gehen usw. woraufhing ich gesagt habe, das würde ich vielleicht auch bald mal tun. Wobei ich K.I.Z. noch relativ okay finde.

Die Leute wollen natürlich immer alle Kritik von sich weisen, aber ich sage inzwischen, Vorurteile und Gewalt gegen Minderheiten fallen nunmal nicht vom Himmel.

Und manche Reaktionen haben mir auch gezeigt, dass wir da richtig sind. Viele Leute verstehen auch nicht, dass nur weil sie der Song nicht zu Gewalt motiviert, das bei anderen ganz anders sein kann und dass er unterschwellig auch Vorurteile und ein schwulenfeindliches, körperzentriertes Geschlechterbild schürt.

(...)

Was uns jedenfalls geholfen hat, war, dass jemand unseren Flyertext kritisiert hat, weil wir darin von Stammtischparolen gesprochen haben. Das kann man als klassistisch einstufen, also gegen angeblich niedrigere soziale Schichten. Hatten wir nicht auf dem Schirm.

Also machen wir beim nächsten Mal nicht und bedanken uns.

Ihr ruft nun zu einer Boykottaktion auf

Genau. Also, da die Orsons eigentlich wissen, was sie machen, sie haben sich ja entschuldigt und die Proteste und Briefe nicht ernstnehmen, fordern wir alle Fans und Hörer zum Boykott auf. Und alle anderen natürlich auch.

Bis wann?

Bis sie den Song nicht mehr spielen und sich mal ordentlich entschuldigen.

Also wir vermuten bei den Orsons einfach nur kommerzielle Interesse, also Geld und Ruhm, es gibt auch ein Interview mit Monika von ATME, wo das deutlich wird.

Die verweigern halt den Kontakt und tun so als sei nichts gewesen. Ziemlich feige.

Was ratet ihr Unterstützern eurer Aktion?

Also wir begrüßen alle Arten von Protest. Info und Proteste vor Konzerten, die Orsons sind gerade auf Tour, Leute informieren, bei Youtube und sonstwo den Senf dazu geben, Fans auf die Inhalte ansprechen und dass es Leute beleidigt, wenn ihr mehr Leute seid, auch Blockaden.

Man kann alles mögliche machen. Blogs. Oder einfach diese Seite und Protestclips liken.

Und welche Argumente ziehen bei den Fans?

Also, man muss den Leuten oft erklären, dass wenn man wen von der NPD oder früher NPD als Mann bezeichnet und das eine Frau ist, dass andere dann auch denken, dass sie so mit allen umgehen können, man hat einfach kein Recht, dass bei niemandem zu machen.

Manche sagen, dass sei ja alles nur Spaß und wir hätten die Message missverstanden. Aber vielleicht gibt es ja einfach auch mehrere Messages und wenn jemand die Message genauso versteht wie wir und dann Leute schlägt, einschüchtert oder ausgrenzt oder Leute sich unwohl und diskriminiert fühlen, dann sollten die Orsons und ihre Supporter das so oder so respektieren.

Die können sich ja überhaupt nicht in die Lage eines Menschen versetzen, der seit Geburt ausgegrenzt, auf den Körper reduziert und deswegen falsch bezeichnet und eingeschüchtert wird. Und die Stimmung ist da, wo diese Leute von der Masse permanent fertig gemacht werden.
Vielleicht nutzen die Orsons das sogar heimlich aus und haben selber Vorurteile und Ressentiments, wer weiß, wer weiß.

Und dann kommt oft, die wären doch harmlos, man sollte doch bei schlimmeren Sachen anfangen. Aber wir fangen bei allen möglichen Sachen an und musikalisch finde ich den Song mit die schlimmste Sache seit langem. Der hat 2 Millionen Klicks und hetzt Leute einfach nur auf, ausserdem finde ich das Verhalten der Orsons dazu auch ziemlich daneben.

Ich finde es auch ziemlich mies, dass da die ganze Zeit auf Hodensäcken usw. rumgeritten wird, da wird doch eine gesellschaftliche Schwulenfeindlichkeit und Angst vor Schwänzen massiv ausgenutzt, um ein noch "legales" Feindbild zu schüren, weil sich das gerade gut verkauft.

Also du bist schon persönlich sauer auf die Orsons?

Auf jeden Fall!

Danke für das Gespräch.

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Monika hat auch ein Interview mit dem Menschenrechtsverein ATME e.V. gegeben
über die Hintergründe und Konsequenzen.

Ist von letztem September:



Und dann noch der Text des verteilten Flugblatts:
Die Orsons: Sexism sells --
wack people buy it!


Für wie dumm halten die Orsons uns alle eigentlich?
Mit dem Track "Horst und Monika" wollten sie hoch hinaus, noch mehr Cash, noch mehr Fame, nur sich ihrer Verantwortung stellen wollen sie sich nicht.

Der Track, den viele als miese, zeitgeistkonforme Hetze gegen Minderheiten auf Stammtischniveau empfinden, sollte ihnen die Teilnahme am Grand Prix d´Eurovision sichern, auf Kosten einzelner, die hierin geschmackloser Weise auch noch unter dem Deckmantel der NPD-Kritik aufs widerlichste beleidigt, als Ekel und gestörte Witzfiguren hingestellt werden.

Die Absicht hinter "Horst und Monika" ist durchschaubar und spätestens wer Liveaufnahmen oder Reaktionen auf die Lyriks im Netz verfolgt, kann nicht abstreiten, dass die hier geschürte Stimmung dann auch ihr Ziel erreicht: Die Hörer werden nicht gegen eine einzelne Frau und deren vermeintlich erbärmlichen Lebenslauf aufgehetzt (was an und für sich schon arm genug wäre), sondern gegen eine ganze Gruppe von Menschen, denen durch geschlechtliche Fremdzuweisung von Geburt an die Möglichkeit, als anerkannte und gleichberechtigte Individuen in der Gesellschaft zu leben, genommen werden soll.

Ähnlich wie Rechtsextreme (die z.B. Demos gegen geschlechtliche Fremdbestimmung gezielt angreifen, die Leute dabei auf ähnliche Art öffentlich einzuschüchtern und zu diffamieren versuchen, z.B. Berliner "Alexandrademos" 2012) hetzen auch die Orsons auf eine niveaulose und massentaugliche Weise gegen Minderheiten. Ob dabei Hautfarbe oder Körperbeschaffenheit als Grund für vermeintliche Lächerlichkeit, also Angriffsgrund gewertet wird, ist, unserer Meinung nach, völlig austauschbar, denn die Maschen und Minderwertigkeitskomplexe, die dahinter stecken, sind stets dieselben.

Was wir aber als noch erbärmlicher von Chimperator (Label) und den Orsons finden, ist deren Verweigerung einer klaren Ansage, die Ignoranz gegenüber Kritik! Öffentlich den Song feiern, hintenrum entschuldigen.

Trotz zahlreicher Aufforderungen zu einer Stellungnahme, offenen Briefen, sogar einer versuchten Klage wegen Volksverhetzung und anderen Kritikformen durch einen Menschenrechtsverein und viele einzelne hat sich bis heute weder Chimperator noch irgendwer von den Orsons je öffentlich entschuldigt, da die Proteste öffentlich bisher wohl unter den Teppich gekehrt werden konnten.
Andererseits gab es eine leere, beschwichtigende Entschuldigung auf Facebook.

Die Orsons und Chimperator verkaufen inhaltlich z.T. nichts weiter als rechte, Stammtisch gerechte Stimmungmache gegen (angebliche) Minderheiten auf unterstem Niveau.

Und ob die, die das feiern und uns für Spaß und Sozialkritik verkaufen wollen erbärmlich sind oder Leute, die sich durch ihr Auftreten schon optisch geschlechtlicher Gleichschaltung, also bürgerlichem Anpassungswahn widersetzen, oft auf Kosten täglicher Gewalt, sei hier mal offengelassen.

Februar 2013, Antigenitalistische Offensive Berlin

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Re: Interview: Protestaktion gegen die Orsons (Berlin, 27.2.

#2 Beitrag von ZeroPassing » Sonntag 24. März 2013, 04:29

gern geschehen!
Danke für dein Interesse,

Inzwischen gibt es auch einen Indymedia-Artikel:
http://de.indymedia.org/2013/03/342756.shtml

und eine genauere (zusammengeschusterte Begründung) nach Anfrage
auf Myspace (da sie einmal, vermutlich wg. der Textlänge, gelöscht
wurde, aber ich wollte mich dennoch nicht kurz fassen):

http://www.myspace.com/696fordeath/blog/546790523

sie ist zusammengeschustert aus Frust, da meine erste, aus einem Guss handgeschriebene
Erklärung (nach der Frage unten im Thread) leider gelöscht wurde.

Unten (in den Kommis) ist auch eine Erläuterung des Begriffs "Genitalismus".
Ich hab mir außerdem neulich ausgedacht, dass wir nun "Genitalismus" als die Theorie
und "Genital-Sexismus" als die daraus folgende Praxis definieren werden. Im Text ist
das aber noch z.T. durcheinandergeworfen.
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Re: Interview: Protestaktion gegen die Orsons (Berlin, 27.2.

#3 Beitrag von ZeroPassing » Dienstag 2. Juli 2013, 00:59

inzwischen gab es auch noch mehr solcher Aktionen in anderen Städten Deutschlands:

http://eams.blogsport.eu/antisexismus/a ... kein-swag/

http://diebande.blogsport.de/2013/05/13 ... kein-swag/
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