Soziales aus Übersee....

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Michris
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Soziales aus Übersee....

#1 Beitrag von Michris » Montag 12. September 2005, 12:36

Liebe Mittransen,

den unten angeführten Artikel habe ich von der Site von Jennifer, einem T-girl of the States kopiert. Natürlich mit ihrem okay. Da er mich fasziniert hat habe ich ihn übersetzt und möchte Euch jetzt um Eure Meinung bitten. Benutzt aber ja ein Polsterchen wenn ihr ihn lest, damit Euer vielmalträtiertes Popscherl (österreichischer Ausdruck für den wohl wesentlichsten Teil des menschlichen Körpers) nicht allzu sehr leiden muß.

Viel Vergnügen,

Michris


GRÜNDE FÜR DIE EIGENE TRANSSEXUALITÄT
DANKBAR ZU SEIN

Von Jennifer Diane REITZ, Inhaberin http://www.transsexual.org


Da die eigene Transsexualität oft so schmerzlich, so erfüllt von Trauer und Verlangen, von Scham, Verlust und Schwierigkeiten ist, kommen wir leicht zu dem Schluß, dass die ganze Angelegenheit ein einziger Fluch ist, den uns vielleicht geheimnisumwitterte, uns übel gesinnte antike Götter auferlegten.

O, wahrscheinlich schon.

Aber es gibt auch ein oben.
Das Leben der meisten Menschen ist durch und durch alltäglich, es mangelt ihm an jeglicher wahren Einmaligkeit, die Durchschnittsperson wandelt wie im Schlaf durch eine Existenz, die dem Ausfüllen der von ihr erwarteten Rolle gewidmet ist.

Aber transsexuell zu sein ist eine magische, eine wundervolle Angelegenheit.

Bedenken wir doch: Als Ausgleich für den schrecklichen Verlust unserer Kindheit in der Person die wir wirklich sind, und für den Schmerz den wir ertragen, erhalten wir viele Geschenke. Durch einen bisher unbekannten Mechanismus sind wir als Klasse gemäß der Statistik wesentlich intelligenter als vielleicht jede andere Art Mensch. Wir sind beinahe universell kreativer und besitzen oft unglaubliche Ebenen des Mutes und der Selbstbestimmung, was schon durch unser Überleben and das ultimative Erreichen unseres Zieles demonstriert wird. Wir sind rar wie Wunder und auf unsere Art magisch, was zumindest der Glaube aller antiken Kulturen auf der Erde war.

Man schenkt uns ein Bewusstsein das andere nie erleben werden, ein Verstehen des Geschlechtes, des menschlichen Seins, der Gesellschaft und der fraglos darin existierenden Rollen und Regeln. Man schenkt uns ein Fenster in das Leben beider Geschlechter und wir können nicht anders als bis zu einem gewissen Grade darüber hinaus zu sehen. Daraus resultierend haben wir eine seltene Definition oder Rolle inne. Wir können neue Dinge, ursprüngliche Dinge tun, nur weil unsere Erfahrung und Kenntnis so einmalig ist.

Wir werden zu echten Formveränderern und erleben das reine Wunder von wie Wachs schmelzendem Fleisch und einer echten Wiedergeburt in dieser Welt. Unser Gehirn und unser Körper ziehen den Vorteil daraus in den Hormonen beider Geschlechter gebadet und von ihnen verändert worden zu sein. Wir scheinen unsere sichtbare Jugend um Jahre länger zu bewahren, während andere bereits Falten bekommen. Wir besitzen die neuralen Vorteile von beiden Geschlechtern, wie den Sprachenvorteil des femininisierten Gehirns und das räumliche Vorstellungsvermögen des maskulinisierten Gehirns. Wir werden falls wir es zulassen in das Erwachen in einem Leben geschockt werden. das wir selbst erschaffen....wir sind nicht automatisch dazu verurteilt schlafwandlerisch durch das Leben zu gehen.

Nach unserem Übergang, unserer Umwandlung, nach dem Vollmondwunder einer Lykanthropie die das Zeitalter der Moderne uns bietet, können wir, falls wir es so wollen, eine Leben des Erfolgs, der Liebe, und des wahren etwas-Besonderes-seins leben. Wenn wir unsere Erziehung, das Programmiertsein, die Bigotterie, die Botschaften der Abscheu der uns umgebenden Kultur überwinden und als wir selbst in Freiheit dastehen können, dann gewähren uns unsere besonderen Gaben ein Erbe wundervoller Macht.

Wir haben eine stolze und wundervolle Geschichte. In uralten Zeiten waren wir die magische Fleischwerdung. Wir waren für unsere Kommunen Nadle 1), Winkte 2), Two-Souls, Schamanen, Heiler und magische Wesen. Wir besaßen die Fähigkeit den Segen der Götter und der Geister zu erteilen und waren als Gefährten, Geliebte und Lehrer hoch geschätzt.

Wir waren das wertvolle Geschenk antiker Stämme. Waren Unterhalter, Künstler und Träumer. Manchmal waren wir die – etwas zögernden – Herrscher von Königreichen und die Gefährten von Kaisern. Wir waren auch Sieger und Kämpfer, die wegen ihrer einmaligen Gaben, die den unvermeidlichen Sieg brachten, gefürchtet wurden.

Wisset dass unsere Art erst in den letzten Jahrhunderten mit dem Aufstieg engstirniger, monolithischer und monotheistischer Wüstenreligionen, die von strengen Eingöttern und verdrehter, engstirniger Moral erfüllt sind, zur geschmähten, mit Zorn verfolgten Zielscheibe wurden. Einst waren wir Blutsverwandte der Götter.

Transsexuell zu sein ist nicht leicht, und es ist keine Geburt der man Neid abverlangen könnte, aber es ist auch keine Verdammnis. Einst wurde es als seltenes, eher eigenartiges Wunder, als Elfengeschenk das Schmerz bereitet wenn es segnet, bestaunt.

Und im modernen Zeitalter der Hormone und der Chirurgie sind wir die ersten Generationen unserer Art, die endlich die Freunde einer völligen Umwandlung, des echten Erringens unserer uns rechtens zustehenden Körper erfahren. Kein(e) andere(r) Transsexuelle(r ) in der Geschichte war so vom Glück gesegnet.

Ich sage, dass wir Einhörner sind – selten und wundervoll auftretend, mit immer noch dem leichten Einschlag antiker Magie und der Verwandtschaft mit den Göttern. Obgleich es höchste Qual ist, schlimmer als der Schmerz des Feuers, so haben wir dennoch die Gelegenheit zu alchemistischem Gold zu werden.

Wir haben der Welt viel zu bieten und uns und jenen die uns lieben viel zu schenken.

Wir waren es immer schon und sind immer noch der wertvolle Preis des Stammes, denn nur die Welt um uns herum hat sich geändert, die Wüstenhärte brandmarkt uns als verächtlich. Wir jedoch sind dieselben geblieben.

Unser Ausgleich ist real und unser Leben ist etwas Besonderes – wir müssen nur nach den aus unseren Leiden geborenen Gaben greifen.

Wenn ich mich so im Alltagsleben umsehe gibt es Zeiten wo ich denke, dass ich vielleicht froh sein kann transsexuell geboren worden zu sein, denn ohne diesen Fluch wäre ich nie geworden, zu dem ich wurde. Ich kann nicht anders als dankbar für meine Einmaligkeit sein, was mich zu einer eigentümlichen Eröffnung bewegt:

Tief in meinem Inneren hege ich das Gefühl der Dankbarkeit transsexuell geboren worden zu sein.

Sei mit mir ein Einhorn und hege gleichfalls dieses Gefühl.

1) 3. Geschlecht bei den Navajos,
2) bei den Sioux – ähnlich den Nadles


Ausdruck Original: 28. März 2005-04-1
Übersetzung: 16.-17. April 2005
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#2 Beitrag von Michris » Montag 12. September 2005, 20:53

Hallo liebe Silky,

endlich habe ich es geschafft, wieder einmal Deine Aufmerksamkeit zu erregen. Es war ein schönes Stück Arbeit :-)

Gerade das Poetische des Textes hat mich ja gereizt. Wenn man bedenkt, daß ich aus einer Künstlerfamilie stamme und mein Vater, der Bildhauer war, sich auch in der Dichtkunst übte (es aber nie zu einem Meistergrad brachte - ganz im Gegensatz zur Bildhauerrei, wo er einer in den Himmel rasenden Sternschnuppe glich).

Ehrlich gesagt hatte ich eine glatte Absage erwartet, denn eine unserer Trans-Damen hier in Wien erklärte mir rundheraus, dieser Text sei wirklichkeitsfremd und entspreche so gar nicht der Welt der Transsexualität. Ich sehe darin viel Aufruhr, Revolution. Nun, Ewiggestrige gibt´s leider auch in unseren Reihen.

Übrigens habe ich gerade einen Anhalt für Freunde und Verwandte von LGBT-Menschen (auch aus den USA) gepostet.

Du brauchst Dich überhaupt nicht für meine "Bemühungen" bedanken, denn es ist für mich eine Ehre bei Euch mitmachen zu dürfen.

Mit herzlichen Grüßen,

Michaela
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#3 Beitrag von Michris » Dienstag 13. September 2005, 13:55

Hallo, meine liebe Silky,

Du hast mich zum Schmunzeln gebracht. Ja, es mag schon sein, daß die Wienerin recht hatte, denn wir Europäer sind ja eigentlich eher Pragmatiker. Wir suchen immer und immer nach der Wirklichkeit, nach dem Wert einer Aussage, während die Amerikaner großteils sehr der Poesie zugetan sind. So schreibe ich wenn ich einer Freundin/einem Freund in Europa schreibe: "Liebe Grüße, "Ganz liebe Grüße" oder so. In den USA schreibe ich "Ich hug you, (Sister)", "many kisses, my dear", "I love you", "You mean so much to me". Und genau das ist es was ich so liebe. Ich hab genug Probleme auch in meinem neuen Leben um jetzt auch noch einem nicht angebrachten Pragmatismus nachzulaufen. Anmerkung: Diesmal habe ich aber im Brockhaus nachgesehen, damit mir nicht wieder ein Wort systematisch zerpflückt wird, wie´s Luisa so gerne macht *slight smile*

Die Autorin hat insofern völlig recht: Daß man nämlich auch nach den Wurzeln der Transsexualität suchen muß und nicht einfach sagen kann: "Ich bin transsexuell, Herr Doktor, sagen Sie mir warum und tun sie was dafür!" Außerden ist es immer schöner in einem Traumland zu leben als immer wieder der rauhen Wirklichkeit zu begegnen. Nö, ich sage, der Text ist zu einem hohen Prozentsatz durchaus real.

Mit herzlichen und innigen Grüßen,

Michaela
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#4 Beitrag von Luisa » Dienstag 13. September 2005, 17:52

Werte Michaela

Ich kann nichts finden, in dem von Dir gepostetem Texte finden, was eine Absage legitimieren würde. Ich mag mich in vielen Punkten tatsächlich identifizieren mit der Aussage von Jennifer. Und ich mag auch einiges an pragmatischen Aspekten erkennen in dem, wie meine Liebste sagt, etwas poetisch verfassten Text. Letztlich, denk auch ich, das wir über grosse Kräfte verfügen ob diese nun Magischer Natur sind, oder ob wir TG- Personen, rein pragmatisch betrachtet, Eignerinnen einer Dualkonditionierung sind, sei meines Erachtens sekundär.

Sicher ist das unser da sein bewegt und zur sozialen Weiterentwicklung beiträgt. Denn es bleibt bis zum Schluss die Frage ob die existente Konditionierung von Menschen zwingend an den Geschlechtern festgehakt werden sollte.

Logisch auch die Angst jener Systeme des Konservativismus vor unserer Präsenz. In dieser Angst der Veränderung, die jeder Mensch in sich trägt, liegt leider auch viel Leid. Leid welches wir Transgender zu durchstehen haben.

So solle dieser Text, aus meiner bescheidenen Betrachtungsweise, Stärke und Mut vermitteln. Ein Text dem ich kaum was entgegensetzen kann.

Liebi Grüessli

Luisa

PS: Ich kann wohl kaum zerpflücken was sich im Bereich des Verständlichen Bewegt. Und doch erfreue ich mich ab jener gekonnten Wortwahl welche Du mit viel Kreativität einzusetzen vermagst.

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#5 Beitrag von Andrea » Dienstag 13. September 2005, 18:55

Hallo Michaela

Ich sehe keinen Grund weshalb ich dir oder deinem Text eine Absage erteilen sollte.

In einigen Punkten bin ich der selben Meinung wie Jennifer.

Dass wir etwas besonders sind, denke ich könnte an diversen Dingen liegen, und dass das System der Konservativen (Matrix lässt grüssen :lol: ) nicht gerade begeistert von unserer Anwesenheit sind, weil wir nicht nur einfach vor uns hin leben, und unser Leben selbst in die Hand nehmen.

Dieser Text soll allen Mut und Kraft vermitten ihr spezielles "Schicksal" zu tragen.

Grüässli
Andrea

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#6 Beitrag von Michris » Dienstag 13. September 2005, 19:35

Luisa, Du Liebenswerte!

Als ich Silkys Kommentar las brach ich in Tränen der Verzweiflung aus, da sie schüchtern gesagt, so gar nicht voll meiner Meinung war. Aber wer kommt und tröstet mich? Wer holt mich aus dem tiefen und düsteren Tal der Verzweiflung ans klare, weiche Licht der Wirklichkeit? Luisa!

Ja, der Text ist poetisch, kein Wunder, ist die Autorin ja nicht von Beruf "Transe" sondern Autorin. Wäre sie die Vorsitzende einer Transsexuellen-Vereinigung so wäre ihr das Pragmatsiche ja sehr nahe, aber so. Jetzt weiß ich - das ist bitte KEINE Anmache! - warum ich immer in Deine schönen, ach so tiefen Augen zu versinken drohe. Solche Augen muß Erato gehabt haben.

Weißt du, das Schöne ist, daß wir als Transsexuelle (sicher in anderer Bezeichnung) seit Menschengedenken die Menschen bewegen, heute noch in vielen Stämmen als heilig gelten.

"Ich kann wohl kaum zerpflücken was sich im Bereich des Verständlichen Bewegt. Und doch erfreue ich mich ab jener gekonnten Wortwahl welche Du mit viel Kreativität einzusetzen vermagst." - Sehr gut gekontert, meine Liebe: Ich würde sagen: Mit Zuckerbrot und Peitsche.

Außerdem: Deine Texte sind niemals bescheiden. Punktum.

Mit ganz lieben Grüßen,

Michaela
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#7 Beitrag von Michris » Dienstag 13. September 2005, 19:44

Hallo Andrea,

Du bist also auch nicht gegen mich bzw. die Autorin dieses Kunstwerks? Dafür schließe ich Dich in mein ganz besoderes Abendgebet ein. Obgleich Du sicher keine Fürsprache bei unserem lieben Gott benötigst!

Ich will nicht sagen, daß ich 100-prozentig Jennifers Meinung bin, denn zwischendurch übertreibt sie auch ein bißchen: Sie stellt uns auf einen hohen Sockel, wo wir einfach und bescheiden wie wir sind nur eines wollen: In Frieden und Liebe ein ruhiges Leben führen! Aber gewisse kleine Aggressionen ihrerseits unterstütze ich schon.

Daß die Rechtsparteien uns zum Teufel wünschen ist eigentlich ganz klar, denn wir decken mit unserer Existenz ihre Schwächen auf und verhindern, daß sie weiterhin ungestört ihr Süppchen kochen. Bei uns Volksverblödung zu betreiben, wie es die Römisch Katholische Kirche auch in meinem Lande Salzburg getan hat, geht nicht, weil wir Mißstände aufzeigen. Wir brauchen keine Volksbibel (die Bilderbibel mit der die Römisch Katholische Kirche für lange lange Zeit die großteils analphabetische Bevölkerung gängelte), wir glauben auch so an unseren Obersten dort oben.

Übrigens hat dieser Artikel von Jennifer in den USA gewaltig eingeschlagen - das bei zwei Rechtsparteien. Ich für meinen Teil hab noch nie geleugnet transsexuell zu sein und weißt Du was? Ich bin stolz darauf.

Mit lieben Grüßen,

Michaela
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