Text - Von "falschen" Körpern

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ZeroPassing
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Text - Von "falschen" Körpern

#1 Beitrag von ZeroPassing » Donnerstag 14. März 2013, 07:18

Bisher noch unveröffentlicht bzw. in einigen Berliner Kneipen und Szeneorten ausgelegt.
Aber demnächst möchte ich einen Blog o.ä. basteln.

Von "falschen" Körpern

Seung: "Wenn man Ihnen mein Gehirn einpflanzen würde, was käme wohl heraus: Sie mit meinem Hirn oder ich mit Ihrem Körper?"

Längst hat die Wissenschaft anerkannt, dass der Mensch mehr als sein Körper ist, das Hirn das Wesen bestimmt, nur beim Geschlecht möchte man das noch nicht zugeben. Es geht dabei ja auch um Privilegien, Fehler, Ungerechtigkeiten, die man sich eingestehen müsste, die Wissenschaft als "objektives Instrument" zur Prüfung bürgerlicher Wertmaßstäbe und Weltbilder, die bis heute mit Theorien, besser gesagt Ideologien vom "biologischen Geschlecht" aufwartet, diese gerade auch in ethischen menschenrechtlichen Fragen bis ins lächerliche verteidigt und das aktuelle populärwissenschaftliche Bild von "Geschlecht", bzw. der Richtigkeit und Notwendigkeit einer angeblich der Natur nachempfundenen Zweigeschlechterordnung oft ins Mystische verklärt, hat sich hier schon oft als manipulativer machtpolitischer Handlanger herausgestellt, die "einleuchtendsten Theorien" sich bei genauem Hinsehen oder Überlegen als nichts weiter als schlichte Aneinanderreihungen naturalistische Fehlschlüsse und die Wissenschaft in ihrer krampfhaften und korrupten Verteidigung des systematischen Sexismus, Anatomismus, Biologoidismus oft als bloßer Handlanger patriarchaler Machtpolitik entlarvt, denn eine Hand wäscht die andere.

Neben dem vermeintlich archetypischen Bild des Wissenschaftlers als "Halbgott in Weiß" als "Heiler" und "sauberem väterlichen Beschützer" wird auch das genitalistische, vom Jungen, den man am Blick zwischen seine Beine erkennt und vom Mädchen, das sich mit der Mutter identifiziert und auf Grund von Regel und Gebärfähigkeit "zur Frau entwickelt" bis zum Brechreiz reproduziert, in den Medien, staatlicher und weltlicher "Aufklärung" und Kultur, in der christlichen und sonstigen monotheistischen sowieso.

Dass der "Junge" vielleicht dazu wird, weil man "ihn" mit Gewalt und Penetranz von morgens bis abends eine Rolle aufzwingt und vorlebt und das Mädchen ebenso, mit Zuckerbrot, Peitsche und unnatürlich schimmernden Werbeplakaten soweit das Auge reicht, dazu Alternativlosigkeit, Natürlichkeit und gottgewollte Richtigkeit dieses wahnhaft dichotomen Gesellschaftsmodell vorpredigt ohne die Schattenseiten und zahlreichen Gegenentwürfe (auffindbar im Tierreich, in menschlichen Stämmen, Subkulturen als auch modernen Gesellschaften) je ernsthaft zu zeigen, all das ist längst vergessen, wird in gesellschaftlichen Debatten um "Peanuts" wie z.B. die Unversehrtheit der Genitalien sogenannter "geschlechtlich uneindeutiger" Kinder, die Selbstbestimmung und Anerkennung geschlechtlich falsch zugewiesener Menschen, die Gleichstellung der Homoehe, die Integration, öffentliche Erwähnung und Akzeptanz von Menschen, die sich nicht als "Mann" oder "Frau" definieren, als "unwichtige Fussnote", unwesentlicher Balast, gelegentlicher Einzelfall, nicht die Regel, wenn es um das Bewusstsein, wie ein Bild von "Geschlecht" erzeugt, propagiert, einoktroyiert wird, verschwiegen.

Wen wundert es da, dass es keinen wundert, keiner sich ernsthaft an den Kopf fasst oder lauthals empört, wenn Leute, denen ein falsches Geschlecht aufgezwungen wird, plötzlich vom Staat, von Gutachtern, Pädagogen, von "Therapeuten", aber auch sonst jedem, zuallermeist eine Normunterwerfung ein Sich bis zur Selbstzerfleischung in Klischees stürzen aufgezwungen wird, zumeist einhergehend mit der nachträglichen Betonung, dass man sich über die geschlechtliche Klischeehaftigkeit des falsch zugewiesenen Menschen wundert. Stürzt der Mensch sich allerdings weniger als fast absolut in Klischees wie Röcke tragen, dickes Schminke auftragen und eine völlig passive, inoffensive Haltung einnehmen bei Frauen oder bei der Begrüßung die Hände quetschen, sich betont Raum einnehmend verhalten und kurz und militärisch sprechen bei Männern, dann wird dieser kaum ernst genommen, die Akzeptanz im eigenen Geschlecht erst recht verweigert,

noch mehr als beim Nachkommen der Erfüllung einer lächerlich überbetonten Rolle, die die achso aufgeklärte und freie Gesellschaft nunmal allermindestens als Beweis der Geschlechtszugehörigkeit abverlangt (die sie dann in Schritt 2 wieder nachträglich Stück für Stück aberkennt, z.B, durch Verweise auf das "biologische Geschlecht", die Gebärunfähigkeit, die (aufgezwungene) Vergangenheit, die anfängliche Unsicherheit sich im nicht-zugewiesenen Geschlecht bzw. Rollenerwartungen einer sexistischen, von Doppelmoral und tiefster Transphobie/Genitalismus geprägter Gesellschaft auf Anhieb zurechtzufinden).


Wurde das Aufzeigen der Existenz sogenannter "Transsexualität", als auch von "anderen Geschlechtern" (heute wird beides wieder munter durcheinandergeworfen, man ist ja schließlich so frei und es ist ja auch völlig egal, was jemand ist, solang es nicht der eigene Partner, man selbst oder jemand aus der eigenen Familie oder dem Freundeskreis ist) vor Zeiten mal als politischer Zündstoff im Kampf gegen ein als antiquiert und unvollständig erkanntes überall in der abendländischen Kultur vorherrschendes Geschlechtermodell gewertet, so ist dieses sogenannte "Phänomen" inzwischen neu und vermeintlich harmloser umkodiert, in die Märchenwelt des genitalistischen Weltbildes integriert worden.

Sämtliche häufigen Sexismen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen im Umgang mit falsch zugewiesenen Menschen, Transmenschen und anderen Geschlechtern konnten erhalten bleiben, das Bild von der Unfehlbarkeit des "Geschlechts(teils)" als "geschlechtsbestimmenden Merkmals" eines Menschen ist weder erschüttert noch in Frage gestellt worden und die Boulevardmedien sind voll mit mitleidserheischenden sensationslüsternen Berichten von "Geschlechtswechseln, Geschlechtsumwandlungen und kleinen Jungs, die gern Mädchen sein wollen". Das wird als Fortschritt, als hoffnungsvolle Entwicklung gesehen, besser ein gefährliches, vorurteils- und ressentimentgeleitetes Halbwissen als garkeines?

Darüber lässt sich streiten. Heute gilt als tolerant, als fortschrittlich, wer ein schlecht geschminktes Mädchen als "transig aussehend" beschimpft, wer eine falsch zugewiesene Frau "als Mann" erkennt" oder weiß "woran man eine echte Frau erkennt".

Wer "auf eine Transe hereinfällt", mit so wem flirtet, wird als "Schwuchtel" zumindest nah dran, verlacht, die Begehrte indessen wird nach der "Entlarvung" keines Blickes, keines Gedanken mehr gewürdigt, wird zur gesichtslosen "Lachnummer". Youtube ist voll von solchen Geschichten, der Alltag auch und wer die Klischees, Anfeindungen und Regelmäßigkeiten solcher absichtlich erzeugten Feindmodelle und diskriminierenden Mobbingsituationen abstreiten oder als Einzelfälle beschönigen möchte,gebe doch einfach mal Worte wie "Transe", "verarscht" oder "Geschlechtsumwandlung" bei Google oder einem bürgerlichen Forum seiner Wahl ein.

Es gibt die ersten Statistiken (warum trotz sonstigen wissenschaftlich hohen Interesses an der "Personengruppe" und Lebensrealität bisher keine erhoben wurden, darüber lässt sich spekulieren, die Unvereinbarkeit mit machtpolitischen Interessen sowie der Zwang, auf die dadurch erkennbaren Zustände reagieren zu müssen, wäre jedenfalls eine plausible Annahme) zu Arbeitslosigkeit, Gewalterfahrung, Selbstmordraten, sexuellem Missbrauch an falsch zugewiesenen Menschen und Menschen, die als "Transgender" zusammengefasst werden (sollen), mit erschreckenden Resultaten, meistens ist die Rate solcher Übergriffe und Probleme 4-12 mal höher als in der sonstigen Bevölkerung.

Was also hat die vermeintliche "Aufklärung" über vermeintlich "Transsexuelle", das in den Fokus rücken, das Umdefinieren vom "perversen Täter" zum "geisteskranken (in der "Fachsprache" geschlechtsidentitätsgestörten) Opfer" von der "verkleideten Frau", der "Extremlesbe" dem "weiblichen Transvestiten" zur "biologischen Frau" oder zur "weiblich sozialisierten Person" also gebracht?

Früher war man sich einig: Wer so resistent, so selbstzerstörerisch, so "negierend" (Pfäfflin) in eine "Szene" einen "Lebensentwurf", eine "Illusion" des "Geschlechtswandels" flüchte, die in einer vollkommen heterosexistisch strukturierten Gesellschaft, in der das "biologische" das "Hebammengeschlecht" jederzeit im Pass nachzulesen, festzustellen war, weder als lebbar, noch rational irgendwie erklärbar, somit lebensfremd und staatsgefährdent gleichzeitig erschien, konnte nur verrückt, also geistesgestört sein, übertrieben, aber latent homosexuell. Es galt also den "Verrückten" ein aberwitziges Bekenntnis abzuringen, das einerseits die Gefahr zahlreicher legaler Homoehen abwenden, andererseits auch kritischen Zeitgenossen das vermeintlich gegebene Selbstbestimmungsrecht einer bürgerlich-demokratischen Grundordnung vorheucheln sollte, so sollten alle "Transsexuellen" zunächst eine Therapie aufgezwungen werden, in der neben dem massiven Versuch einer "Umpolung" bzw "Rücknormalisierung" bei Nicht-Erfolg die "Transsexualität" bescheinigt und "geschlechtlich umwandelnde Massnahmen" eingeleitet werden sollten und bei Gehorsam, also dem Verstreichen jahre bis jahrzehntelangen Wartezeiten, Demütigungen und zumeist damit einhergehender erzwungener Benutzungen als z.B. Forschungsobjekt, die "Möglichkeit" körperlicher Angleichungsmaßnahmen und einer nachherigen Anerkennung, nun im "anderen", im "gefühlten Geschlecht" zu leben, zu bekommen.

Notwendig waren dazu neben vollkommener Anpassung an übertriebene psychologische und psychiatrische normative Erwartungen (wie tägliches Röcketragen, vorheucheln, Kinder gebären zu wollen, sich einem Mann unterordnen zu wollen, sich gern zu schminken, als Kind nur mit Puppen gespielt zu haben, Verständnis für die gesellschaftliche Ablehnung und die "Therapie" und Wartezeit und Kontrolle aufzubringen, sich "heilen lassen zu wollen bei Frauen") besonders auch die Bereitschaft, ja der unumstößliche "Wunsch", den eigenen Körper (operativ) an normative Wertmaßstäbe anzupassen und unfruchtbar zu werden (somit konnte die "Gefahr eines Kindes mit bei Geburt zwei juristischen Müttern oder Vätern, die als Staatsbedrohend eingestuft wurde, bis 2008 weltweit abgewendet werden) und ganz besonders auch das Bekenntnis, geisteskrank, "eigentlich männlich/weiblich" zu sein, etwas zu "werden", sein "Geschlecht wechseln zu wollen".


Obwohl die Verfahren nach wie vor dieselben sind, auf das Vorhandensein von immer mehr Kindern, die als "transsexuell" stigmatisiert werden, zwar durch den lang erklagten Wegfall des verfassungswidrigen "Geschlechtsänderungsverbots" bis zum 25. Lebensjahr (2006) nicht mehr mit völliger Ignoranz reagiert werden kann, allerdings nach wie vor bis zum 18. Lebensjahr oft höchstens mit Bevormundungen, Umpoiungstherapien, Zwangseinweisungen reagiert wird und einige Paragraphen mehr des maßregelnden deutschen "Transsexuellengesetzes" zur Ungleichbehandlung und Anerkennungsverweigerung über mindestens Jahre inzwischen gestrichen werden mussten (wegen jahrzehntelangen Verfassungsklagen einzelner mutiger davon Betroffener), wird es nach wie vor als normal, verständlich und notwendig angesehen, dass Menschen bei Geburt ein Geschlecht zugewiesen wird,

dass diese frühestens im Alter von 18 Jahren und nach mindestens 3 jähriger "Begleittherapie" und Begutachtung durch zwei Gutachter standesamtlich ändern lassen können (inkl. Missbrauchsgefahr, Rechtfertigungszwänge, öffentliche akribisch genaue heterosexistische Beschreibung der Erfüllung körperlicher und verhaltenstechnischer Geschlechtsnormen wie Gang, Haarlänge, Stimme, Hobbys, Verhalten, Körpergröße, sonstige anatomische Beschaffenheit, natürlich inklusive gutachterlicher subjektiver Einordnung in ein stereotypes Bild unter normativen Gesichtspunkten, das in den meisten Fällen durchaus als demütigende folterähnliche "Fleischbeschauung" gewertet werden kann) und somit die gesellschaftliche Anerkennung, das "Recht" im eigenen Geschlecht gesehen, behandelt, respektiert und vor Diskriminierung beschützt werden zu können

(das bis dahin selbstredend auch permanent durch den Staat, die Behörden und alle an Erziehung, Verfahren und Zwangstherapie Beteiligten missachtet wurde, ja aus rechtlichen Gründen oft sogar missachtet werden musste!) nachträglich und unter ausdrücklicher Betonung, ein Sonderfall zu sein, zu erhalten.


Argumentiert wird in solchen bevormundenden Gesetzen und darin geforderten Verfahren, aber auch überall sonst wo die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit versagt wird, Diskriminierung legal und systematisch angewandt wird, stets mit dem "biologischen Geschlecht", dem "anatomischen Geschlecht" mit dem "falschen Körper", seltener mit dem "gefühlten Geschlecht", der "Geschlechtsidentitätsstörung", die dennoch nach wie vor in den internationalen Krankheitskatalogen aufgeführt wird und nach deren Definition und Bestimmungen alle falsch zugewiesenen und trans*Menschen durch die Medizin behandelt, interpretiert, schikaniert werden.

Aus dem "Verrückten" ist ein "Mann im Körper einer Frau" bzw. "eine Frau im Körper eines Mannes geworden", zumindest in den wohlwollenderen Artikeln und Aufklärungspamphleten der bürgerlichen Öffentlichkeit. Der Geist, so glauben inzwischen viele, ist nicht "generell", nicht unbedingt falsch oder gestört (diese Aussage, so wurde z.T. gelehrt und ins Halbwissen integriert, erscheint irgendwie zu sexistisch und diskriminierend, zu unzeitgemäß, wir sind ja heute viel weiter und toleranter), sondern eher ist die "betroffene Person" gefangen im falschen Körper, der aber mit operativen Techniken "dem richtigeren Geschlecht angeglichen werden kann". Das klingt doch viel mitfühlender, aufgeklärter und toleranter, oder?


Vorraussetzungen um von den mutigeren, den verständnisvolleren in der bürgerlichen Gesellschaft (dass jeder zweite bis dritte ein Problem, eine deutliche Abneigung gegen sogenannte "Transsexuelle", besonders wenn sie nicht operiert sind, hat. zeigen auch jüngste Statistiken) verstanden und akzeptiert zu werden, ist für den falsch zugewiesenen Menschen nun also neben dem Bekenntnis zum Mannsein bzw. Frausein ("wollen") und der Bereitschaft, sich dem Klischeezwang von Außen aus inneren Zwängen, bzw. Bereitschaft heraus beugen zu wollen vor allen das Vorgaukeln eines Geschlechtswechsels, ganz besonders der Hass, die demonstrative Rebellion gegen den eigenen, den "falschen" Körper.
Früher war dieser geforderte Hass auf den eigenen Körper zwar notwendiges theoretisches (Vorraussetzung zur Anerkennung, "transsexuell" zu sein in Gutachten und Therapien war ein nachweislicher schlechter Umgang mit dem eigenen Körper, genitale Selbstverletzung,

am besten auch Selbstmordversuche) und praktisches (der Wunsch und die Durchführung körperlicher Veränderungen durch Operationen und tägliche Hormoneinnahme waren gesetzliche Notwendigkeiten zur nachträglichen "Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit") Bekenntnis in juristischen und medizinischen Verfahren, dafür weniger im alltäglichen gesellschaftlichen Leben.

Zwar wurde hier und da von sogenannten "Geschlechtsumwandlungen", von exotischen "Ladyboys" oder Menschen die äußerlich "halb Mann halb Frau" seien geflüstert, da allerdings fast niemand Ahnung oder vermeintliches Fachwissen über solche Phänomene hatte, konnten falsch zugewiesene oft noch durch eigenes Erklären gesellschaftlichen Vorurteilen in der eigenen Umgebung entgegenwirken.


Heute hat sich überall in der Gesellschaft, besonders auch in "Betroffenenkreisen" die "Erkenntnis" breitgemacht, dass man einen sogenannten "Transsexuellen" hauptsächlich daran erkenne und seine "Echtheit" daran messen könne, wieweit ein Hass auf den eigenen Körper und die Bereitsschaft, den Körper "dem anderen Geschlecht anzupassen" vorläge.
Das genitalistische Weltbild hat sich also inzwischen auch die Körper falsch zugewiesener Menschen einverleibt, diese als "falsch", als "natürliche Fehlbildung" scheinbar"anerkannt" und scheinintegriert, statt durch die These des Vorhandenseins von z.B. Männern mit XX-Chromosomen, Frauen mit männlich erscheinenden Geschlechtsorganen oder Jungen ohne Stimmbruch erschüttert, partiell in Frage gestellt zu werden, diese These anzuerkennen.


Zwar ist man sich bewusst, dass es Menschen gibt, die z.B. (vermeintlich) als Mädchen geboren werden und später aber als Mann leben, allerdings glaubt man sich ebenso sicher, an diesen einen Geschlechtswechsel bestimmen, sie auf Grund ihrer Körperbeschaffenheit jederzeit einem von zwei Geschlechtern zuweisen zu können und Geschlecht(-szugehörigkeit) weiterhin anhand von Genitalien bestimmen zu können. Zeig mir deine Genitalien und ich sage dir, was du bist und wie du dich zu verhalten hast!

So hat sich in Bezug auf falsch zugewiesene Menschen ein schizophrenes, von Doppeldenkweisen und merkwürdigen Mythen durchzogenes Denk- und Umgangsmodell etabliert, das Außenstehenden gestattet, gleichzeitig und je nach körperlicher Beschaffenheit der falsch zugewiesenen Person, Umfeld und Situation die falsch zugewiesene Person zu diskriminieren, akzeptieren oder geschlechtlich zu beurteilen und das anhand eines genitalsexistischen, genitalistischen Menschenmodells, das von jederman, Außenstehenden wie falsch zugewiesenen, Medien wie auch Wissenschaft und Staat befürwortet, anerkannt und angewandt wird und nur in minimalen Punkten je nach politischem Geschmack und Wohlwollen gegenüber der betroffenen Person variiert werden kann (nachträgliches verbales gendern vor der Inanspruchnahme juristischer und medizinischer "Geschlechtskorrekturen", gendern nach der Feststellung, "biologisch ... zu sein", Namensverwendung, theoretisches Akzeptieren als Sexualpartner_in, Erwähnung von Genderklischees).

Es wurde also eine vermeintlich faire Umgangsrichtlinie, ein Konsens, eine vermeintlich tolerantere, reflektiertere, aufgeklärtere Sichtweise auf falsch zugewiesene Menschen herausgearbeitet, nun reicht es, die Person nur noch bis zur

(erst in späten Jahren möglichen) Teilnahme an einem staatlich regulierten Normierungs-,Bekenntnisprozesses (der nach wie vor das Bekenntnis, verrückt zu sein männlich bzw. weiblich gewesen zu sein, nun "etwas anderes werden zu wollen" und den eigenen Körper zu hassen, das genitalistische Weltbild anzuerkennen und die Inanspruchnahme körpernormierender Maßnahmen einfordert, um juristisch und somit staatlich und gesellschaftlich anerkannt zu sein, nicht mehr permanent als das, was man nicht ist bezeichnet, behandelt und beurteilt, sprich diskriminiert zu werden) zu diffamieren, falsch zuzuweisen, ihren Willen zu brechen. Nach der "freiwiliigen" Inanspruchnahme am demütigenden, erzwungenen "Angleichungsprozess" und späterer nachträglicher Anerkennung durch den Staat, durch ein Amtsgericht, gibt man sich frei und tolerant, unvoreingenommen, wohlwollend. Spielt mit dem Gedanken, "das "wahre" Geschlecht gar nicht mehr zu sehen, gesehen, in Betracht gezogen zu haben".


Die Person ist inzwischen nämlich meist gebrochen, destabilisiert, traumatisiert, der Körperhass erfolgreich einoktroyiert worden, das genitalistische Weltbild wurde gesellschaftlich beibehalten, ja sogar stabilisiert und verfeinert, Mediziner, Gutachter und "Fachexperten" haben gutes Geld verdient und stets "Frischfleisch" für fragwürdige Forschung, demütigende Experimente oder auch den eigenen sexuellen Fetisch bzw. den eigenen kompensierten Schwulenhass und die Medien weiter Stoff für merkwürdige sensationsheißerische Freakshows unter dem Deckmantel der barmherzigen Aufklärung.


Eine Emanzipation, um dem genitalistischen Weltbild, der Selbstverleugnung und selbstzerstörerische Unterwürfigkeit verlangenden sexistischen Gesellschaftsordnung mit Selbstachtung und Kraft entgegen treten zu können, verlangt von daher also einen radikalen, entschiedenen Bruch mit dem geforderten Hass auf den Körper falsch zugewiesener Menschen, mit dem Bild vom Körper als verlässlichem geschlechtsbestimmendem Merkmal.

Solange ein Körper, der von genitalistischen, populärbiologistischen Maßstäben abweicht, als "falsch", als "behandlungsbedürftig", als Grund oder legtime Begründung für Diskriminierung, Fehlbehandlung, sexistische Gewalt eingestuft wird, wird sich an der gesellschaftlichen Situation falsch zugewiesener Menschen, an trans- und homophober Gewalt, an der Ausgrenzung, Ungleichbehandlung und Nicht-Akzeptanz nicht viel ändern, kleine Prozesse würden vielleicht kurzzeitig gestoppt oder verlangsamt, nicht aber aufgehalten oder korrigiert.

Das tief in den Köpfen aller verankerte Bild vom Genital als Geschlecht und erlaubtem Verhalten und Aussehen bestimmenden Kriterium an jedem Menschen wird, solange es aufrechterhalten, reproduziert, als Lebens- und Verhaltensmaßstab, soziale Richtlinie gesehen wird, alle Formen von Sexismus, staatlicher und gesellschaftlicher Repression und Gewalt gegen vermeintliche "geschlechtliche Abweichungen" permanent hervorrufen, ermöglichen. sogar notwendig und angemessen, weil Ordnung erhaltend erscheinen lassen.

So sollte ein geschlechtlich falsch zugewiesener Mensch also, egal ob er, sie, es oder * sich selbst als trans, inter, genderqueer, nichts, männlich, weiblich oder anderes bezeichnet, sich des Umstandes bewusst sein, in erstes Linie auf Grund dieses Welt- und Menschenbildes falsch zugewiesen, benachteiligt, ausgegrenzt zu werden und sich der Frage stellen, ob und in wie weit es richtig, angemessen, notwendig ist, den eigenen Körper und den anderer für die eigene gesellschaftlich erlittene Ungleichbehandlung zu verdammen, bzw. diesen zugunsten der Aufrechterhaltung einer sexistischen, patriarchalen Weltordnung zu verändern, anzupassen, "korrigieren zu lassen", bzw. ob diese "Angleichung" und Verdammung dem eigenen Wohlwollen, gesellschaftlichen Zwängen oder der Beruhigung eines eingeredeten Schuldgefühls dient.

Diese sehr persönlichen Fragen lassen sich selten adäquat in einem bis ins letzte Detail genitalitisch organisiertem Gesellschaftssystem ehrlich und sicher beantworten, es gibt auch keine richtigen und falschen Antworten, allerdings scheint es Bemühungen zu geben, dass diese Fragen weniger deutlich gestellt als überlebensnotwendige Antworten suggeriert werden. Der eigene Körper wird bei falsch zugewiesenen Menschen, die man ja folgerichtig schon als "trans-sexuell" stigmatisiert und somit in sexualisierender Sprache beschreibt, permanent von außen sexualisiert, fetischisiert, verteufelt, verachtet,

lächerlich gemacht, entblößt, ins Zentrum gerückt, hinterfragt, als jederman zugängliches öffentliches Eigentum behandelt (Fragen über Operationen, Genitalstatus, Körbchen-, Schuh- und Konfektionsgröße, sogar nach sexuellen Vorlieben werden meist systematisch und überall als selbstverständlich, sogar wohlwollendes Zeichen von Akzeptanz statt als Übergriffigkeit, dreiste sexuelle Gewalt, die man anderen nie so selbstverständlich und aggressiv anmaßen würde, formuliert).

Selbst in richterlichen Gutachten für die standesamtliche Änderung des Vornamens tauchen wie selbstverständlich intime Details zu sexuellen Erfahrungen, Missbrauch und körperlichen Gegebenheiten und Veränderung der antragstellenden Person auf als dürfe das irgendeinen Einfluss auf die Anerkennung eines menschenrechtlich geforderten Minimalrespektes haben, nämlich Respekt vor dem eigenen Geschlecht.

So verwundert es nicht, wenn auch in sämtlichen Zeitungsartikeln, Dokus und Interviews neben Angaben des bei Geburt falsch zugewiesenen Vornamens (was eigentlich dem Offenbarungsverbot nach schon rechtlich unzulässig sein müsste) stets Angaben zum genitalen OP-Status, oft auch zu anderen OPs und körperlichen Gegebenheiten die Rede ist, der Mensch stets wie in einem menschenrechtsbedenklichen Verhör, einer Leibesvisitation oder einem Sadomasoporno zunächst einer peinlichst genauen körperlichen Kontrolle und Schilderung unterzogen wird.

Auch hier, in solch einem staatlich vorgegebenem Klima, das dementsprechend auch das gesamte zwischenmenschliche Leben in dieser Gesellschaft beeinflusst und oft merkwürdige und respektlose Sonderbehandlungen durch jeden und alle erklären, dürften nachherige tendenzielle exhibitionistische bzw. körperbetonte Verhaltensweisen als traumatische Folgereaktion bei Betroffenen nicht verwundern, die von der Gesellschaft dann aber oft akribisch aufgelistet und lauthals als unangepasstes, unerklärliches und freches Perversionsphänomen kritisiert werden.

Umso wichtiger wäre es also, den eigenen Körper annehmen zu können, statt einem permanenten gesellschaftlichen Druck, diesen von Vorurteilen und Hass geprägten Normen anzupassen und ansonsten zu verleugnen, kaschieren, verdecken, unsichtbar zu machen, unhinterhinterfragt nachzukommen. Es ist also eine äußerst schwierige, aber dennoch notwendige, ja, vielleicht die wichtigste Aufgabe, einen selbstbestimmten, widerständigen und möglichst unangepassten Umgang mit dem eigenen Körper, der eigenen Sexualität zu lernen, propagieren und etablieren sowie ein kritisches, emanzipatorisches und problem- und folgenbewusstes Denken und Handeln in Bezug auf das genitalistische Weltbild, dessen Vorwürfe, Anfeindungen, Ausgrenzungs- und Normierungsmechanismen.
two biological sexes = one manmade lie
http://antigenitalistischeoffensive2013.tumblr.com/

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