Toleranz und Gesellschaft

Probleme in der Partnerschaft, Outing und Alltag, Kontakte und Beziehungen
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Rosie
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Toleranz und Gesellschaft

#1 Beitrag von Rosie » Mittwoch 7. März 2012, 15:56

Hallo mein lieben
Ich lebe schon seit 10 jahren als Transe und frage mich echt warum wir als transexuelle in der Gesellschaft immer noch nicht toleriert und integriert werden ??

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Luisa
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Re: Toleranz und Gesellschaft

#2 Beitrag von Luisa » Mittwoch 7. März 2012, 18:58

Werte Rosie

Allererst einfach hält besser, in diesem Sinne erlaubte ich mir die Löschung der zwei letzten identischen Beiträgen.

Toleranz mag ein oft verwendeter Begriff sein schier schon ausgelutscht dies Wörtchen welches von allen möglich erdenklichen Gruppen umhergedreht wird.

Vielleicht ein Kritikpunkt den ich der Gesellschaft verpassen kann ist deren Anspruch auf möglichst simple Eindeutigkeiten.

Wir, ich wills mal so nennen, Menschen mit doppelter Konditionierung und nicht immer eindeutig einordnungsfähig kollidieren gerne mit gesellschaftlich kreierten Stereotypen. Das Bild was die so genannte Geschellschaft von Frauen oder Männern pflegt kann ganz gewaltig mit unserer Wesensart differieren.

Aber,
Ich sage, im persönlichen Kontakt fallen Vorurteile und dies gilt für so ziemlich jede Gruppierung. Hierbei sehe ich sowohl für uns wie auch für dies so genannte Ding Gesellschaft eine wirkliche Entwicklungschance. Offenheit jedoch bedarf es oft von beiden Seiten um persönliche Kontakte erst möglich zu machen.

Ich für meinen Teil kann somit der Gesellschaft nicht mangelnde Toleranz vorwerfen einzig die festgefressenen Bilder wie eine Frau respektive ein Mann zu sein hat, sind meiner Meinung nach äusserst reformbedürftig.

Liebi Grüessli

Luisa

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Tanja
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Re: Toleranz und Gesellschaft

#3 Beitrag von Tanja » Sonntag 11. März 2012, 01:00

Liebe Rosie

Ich nehme an du schreibst von persönlichen diskriminierenden Erlebnissen die du in den 10 Jahren gemacht hast. Nenn doch mal ein paar Beispiele aus der kürzeren Vergangenheit, (ich denke, die Situation ist heute nicht mehr gleich wie vor 10 Jahren) damit wir uns ein Bild machen können was du genau meinst.
Die Schwelle was man als intolerant, diskriminierend oder was auch immer bezeichnet ist bei jedem Menschen unterschiedlich hoch. Eine bestimmte Situation ist für die einen einfach nur ein spassiges Vorkommnis, für die anderen grenzt es bereits an schwerste Menschenrechtsverletzungen. Eine Frage der Reizbarkeit.

Der Gedanke dass der überwiegende Teil der Menschheit einfach nur lebt und ein winziger Anteil (eben wir) sich über dies und das Gedanken machen muss um nicht anzuecken tut auch mir weg. Aber dann sage ich mir, ich kann die Gesellschaft nicht von heute auf morgen ändern aber ich habe ein Ziel das ich erreichen will.

Wie komme ich nun zu diesem Ziel? Ich bin es halt berufsbedingt gewohnt, systematisch Lösungen für Probleme zu finden. Diese Methodik hat vermutlich auch verhindert dass ich je einen Suizidversuch gemacht habe denn ich probiere Probleme normalerweise zu lösen bevor sie eskalieren. Dazu gehört halt auch, sich für eine beschränkte Zeit der Situation anzupassen und sich entsprechen zu verhalten bis sich die Leute an die neue Identität gewöhnt haben. Das heisst z.B. in meinem Fall, mein Umfeld - insbesondere das berufliche wo's im Falle einer Nicht-Akzeptanz schnell an die Existenz geht - behutsam in die neue Situation einzuführen. Niemanden zu überfordern (wir Transen sind glaube ich immer flexibler als die "Bio's") heisst die Devise.
Ich möchte mich der Aussage von Luisa anschliessen, dass Kommunikation äusserst wichtig ist. Ich gehe offen mit meiner Transsexualität um, sage den Leuten klipp und klar wie's ist (ich kann's ja eh nicht verstecken) und bin so immer gut gefahren. Den Leuten den Wind aus den Segeln nehmen war noch nie schlecht. Geheimnistuerei oder falscher Stolz wäre da sicher kontraproduktiv.
Mein berufliches Umfeld ist nicht das einfachste und ich hatte zuvor grosse Angst, alles zu verlieren. Ich bin selbständige Ingenieurin und arbeite zum grossen Teil als Consultant für einen Hauptkunden aus dem militärischen Umfeld. (für alle die jetzt mit dem Finger auf mich zeigen: Nein, ich baue keine Waffen!) Dort habe ich mit sehr vielen verschiedenen Leuten zu tun und es herrscht - ich formuliere es jetzt mal gaaaaaanz böse - eine testosterongeschwängerte, männerdominierte, machogeprägte Atmosphäre. (die Transmänner die hier mitlesen mögen mir den Ausdruck bitte verzeihen :?) OK, ist ein bisschen übertrieben aber ihr versteht was ich meine - Militär eben...
Also, meine Strategie hat sich voll bewährt und ich kann sie bestens weiterempfehlen. Die paar Monate behutsames Vorgehen und gezieltes Informieren haben sich gelohnt. Ich bewege mich heute dort ganz selbstverständlich als Frau, bin voll akzeptiert und wurde kein einziges mal dumm angemacht. Im Gegenteil, man zollt mir offen Respekt, den Mut zu haben um so ein "Ding" dort durchzuziehen und es gibt sogar welche die das überaus interessant finden, so eine Transition zur Frau mal "live" mitzuerleben, da sie bereits darüber gelesen haben oder durch irgendeine Dok im Fernsehen vorinformiert sind und mit mir ernsthaft und interessiert über verschiedenste Dinge des "Trans-Lebens" diskutieren. (Wohlverstanden - das sind "Bio's", keine Transen) Und ich habe im Gegenzug die Gelegenheit, denen unsere Welt näher zu bringen und zu mehr Verständnis, Toleranz und zum Abbau falscher Ängste beizutragen.

Ehrlich gesagt, ich kann deine Meinung nicht teilen. Ich habe bis heute kein einziges Ereignis erlebt das ich als diskriminierend bezeichnen würde. Weder im Beruf noch sonstwo auf der Strasse, beim Shoppen, Ärzte, Bekannte oder Familie. (ich habe mich schon gefragt was ich falsch mache...) Klar habe ich in diesem Forum in einem anderen Thread mal gemotzt wegen der Bedingungen für die Namensänderung im Kanton Bern aber das hat sich dann doch rasch geklärt.

Einstein hatte mal gesagt, alles sei relativ. Stell die vor, du wärst z.B. in Afghanistan oder im Iran geboren. Im Fernsehen kam mal eine Dok über Transsexuelle im Iran. Ist dort nicht wirklich lustig. Dagegen leben wir in der Schweiz wie in einem "Trans-Paradies".

Liebe Grüsse
Tanja
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Re: Toleranz und Gesellschaft

#4 Beitrag von Andrea_V » Samstag 14. April 2012, 12:13

Rosie, denk mal darüber nach, was du ganz persönlich dazu beigetragen hast, dass es noch besser wird, als es schon ist? Ich will es nicht beschönigen - vieles könnte noch viel besser sein.
Die relativ gute Akzeptanz die Homosexuelle geniessen kommt ganz klar daher, dass die schon seit über 30 Jahren dafür kämpfen und die Transcommunity hat es damals verpasst sich bei denen anzuhängen. Hilf doch einfach mit, denn nichts wird von sich aus besser - jede(r) Betroffene muss mithelfen.
Nein, keine(r) ist zu klein - beobachte einfach mal Ameisen ;-)

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Re: Toleranz und Gesellschaft

#5 Beitrag von Danielle_B » Samstag 14. April 2012, 20:47

Das finde ich auch sehr Wichtig , Kämpfen für Akzeptanz in der Gesellschaft...

Nur Aber : !
Kleine Episode .......... Meine Chefin Kamm letzthin mit dem Spruch , Sie habe ein Beitrag über Transsexuelle im Fernseher gesehen. Ich sagte Interessant und Wo ? RTL und wie wars, war vom Rotlichtmilieu sehr Interessant..... Und ich sagte: Ich Arbeite ja ganz Normal hier und nicht im Milieu... Und musste Ihr erklären dass Shemale nichts mit uns zu tun haben.Trotz wissen meiner Geschichte.

Das ist Das Grosse Problem gewisse Medien die mit uns Ihre Storys vermarkten,geprägt von Männlichen Produzenten,Regie und Cutter und so weiter und nicht zuletzt von der Sexindustrie unterstützt. Reklame für das Puff als Drehort , gut erkennbar für die Männer, da ja zum Gipfel noch Nahmen und Ort genant wird.....Produkt-Placemat nennt man das in der Branche... Wie beim Film und Coca Cola ,kein Zufall.


Das bleibt dann auch im Gedächtnis der Leute, Bei den Frauen abschreckend,bei den Männer da es die Fantasie anregt....

Solche Sachen müssten wir unbedingt mal abstellen immer mit der Sexindustrie in Zusammenhang gebracht zu werden. Unglaublich , das grenzt nach meiner Persönlicher weise an Verleumdung aller die ein Normales Leben Leben wollen. Mich stört das Gliesche enorm,weil es einfach nicht stimmt und doch immer wieder gepflegt in unsere Gesellschaft. Und all denen recht gibt,die sagen sehr nur ich habe doch erst wieder in Fernsehen gesehen... und dagegen muss Mann doch was unternehmen gegen die Spinner.

Und alle Bemühungen wieder zu Nichte macht um Akzeptanz,Anerkennung und Würde in unserer Sozio Kulturelle Gesellschaft. Das Patriarchat und Kirche hat wider Gesiegt.

(Das ist meine nichtssagende Subjektive Meinung)

Danielle_B

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Tanja
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Re: Toleranz und Gesellschaft

#6 Beitrag von Tanja » Samstag 14. April 2012, 23:35

@Danielle: ich habe Dir eine PM geschickt - sorry wegen der Verspätung! Sie hängt bei mir immer noch im Postausgang, weiss nicht ob Du sie erhalten hast. Guck mal nach.

Und nun zum Thema:
Ja, ich nerve mich auch über die ganze Versensationalisierung unserer Problematik. Im Fernsehen kommt entweder gar nichts oder dann eben mit viel rotem Licht oder Schilderung von allen möglichen und unmöglichen Tatsachen welche uns Transmenschen zum Problem Nr. 1 der heutigen Gesellschaft machen wollen. Zum Glück sprechen alle für mich wichtigen Leute in meinem Leben nicht auf solches Negativ-Marketing an denn sie haben längst begriffen dass ich eine ganz normale Frau bin die einfach nur leben möchte. Aber ich denke an all die "Neuen", welchen das Outing erst noch bevorsteht und meist nicht wissen, was ihr Umfeld für "Vorkenntnisse" hat. Ich kann denen nur empfehlen was ich schon weiter oben geschrieben habe.

Ich möchte an dieser Stelle noch eine Korrektur anbringen:
Ich habe weiter oben im Thread behauptet, dass das Transleben im Iran nicht wirklich lustig sei. Diese Aussage war falsch. Transmenschen im Iran stehen gar nicht mal so schlecht da wie ich zuerst gemeint habe. (habe was verwechselt) Siehe auch dieser Thread: http://www.transensyndikat.net/forum/vi ... f=2&t=1081 Man möge mir diesen kleinen Irrtum verzeihen :oops: .Trotzdem bleibe ich dabei, dass ich das Leben an sich im Iran als Frau nicht wirklich lustig finde...

Liebe Grüsse
Tanja
"Men have the strength - but women have the power"

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