Essay "Schmink dich schnell ab, wenn du "trans" aussiehst"

Inland/ Ausland und die Welt
Antworten
Nachricht
Autor
Benutzeravatar
ZeroPassing
Zobel
Beiträge: 125
Registriert: Donnerstag 12. März 2009, 18:34
Wohnort: Berlin 65
Kontaktdaten:

Essay "Schmink dich schnell ab, wenn du "trans" aussiehst"

#1 Beitrag von ZeroPassing » Dienstag 20. November 2012, 20:08

Anlass: http://www.usmagazine.com/celebrity-sty ... al-2011149

Jahr: 2012

Was aktuell geschieht, ist die erneute, stabilere Festigung diskriminierender bis hin zu Akzeptanz und Gleichberechtigung verhindernder Grenzen zwischen vermeintlich Normalen und vermeintlich Unnormalen durch teilweise von Minderheiten in vermeintlichen Minderheiten unterstützte und somit (auf den ersten Blick) legitim erscheinende Kategorien und Zuweisungen, eine folgenträchtige Entwicklung, die, da sie sich schleichend und unregelmäßig vollzieht (sollte sie veranlasst sein, so ließe sich von Salamitaktik sprechen), kaum beachtet, schon gar nicht thematisiert wird.

Stets wird irgendein Ja-Sager, irgendein Talk-Show-Opfer, irgendein freiwilliges Forschungs- oder Selbstzerfleischungsobjekt gefunden, dem man für eine kleine Gegenleistung wie kurze Aufmerksamkeit, dem Einräumen von exklusiven, eigentlich selbstverständlichen minimalen Mitspracherechten in unwichtigen Belangen, geheucheltes Mitleid oder einem zweistelligen Geldbetrag plus eventuell Fahrtkosten öffentlich Worte in den Mund legen kann wie "ist schon okay, wenn ihr über "uns" so redet und urteilt", "ich sehe es ein, dass ich man mich und andere Leute wegen XYZ nicht korrekt behandelt und bevormundet" oder das (willige „Subjekt“), egal ob im Internetforum, der Fremdbestimmerkonferenz oder der kleineren vom Wesentlichen ablenkenden Podiumsdiskussion für den fremdbestimmten, ausgegrenzten Endverbraucher im Namen einer engagierten und weichgeklopften, genauso aufmerksamkeitsfixierten wie uninformierten und unsicheren oder uneinigen und darum nur vorsichtig formulierenden, "keine Kritik überstürzenden" Zwei-bis-acht-Personen-Interessenvertretungsgruppe Stimmung gegen Selbstbestimmung macht oder im entscheidenden Moment einfach mal nickt und schweigt statt sich über Ungerechtigkeiten, Vorurteile oder Bevormundungen zu empören.

So wird immer häufiger akzeptiert, wenn statt vom Vorhandensein der potentiellen Gleichheit stereotyper Weiblichkeit bei von Geburt an privilegierten und (von Geburt an) als "transsexuell" stigmatisierten Frauen jetzt neuerdings sogar offiziell von "transsexuellem Aussehen" auch bei privilegierten Frauen gesprochen wird, im Sinne einer neuen, vermeintlich positiven Kategorie, eine durchschaubare, in den Folgen garantiert nachteilige Entwicklung. Protest dagegen scheint es nicht zu geben.

Im Gegenteil: Da diese neue Kategorisiererei von Aussehen anfänglich positiv (gemeint) erscheint, wird die Mogelpackung von vielen geschluckt, schön geredet. Wir können jetzt alle stolz sein.
Die Schaffung vermeintlich positiver Vorurteile wird mit Akzeptanz verwechselt, die vorhersehbare Entwicklung, dass alles, was mit "trans" in Verbindung gebracht wird, früher oder später notgedrungen von den meisten abgelehnt wird (Euphemismus Tretmühle), wird im Rausch des Feierns der kleinsten unwesentlichsten Veränderungen und eventuellen Fortschritte vergessen und außer Acht gelassen.
Die Windmühlen, gegen die Aktivist_innen kämpfen, die Verankerung von Homo- und Transphobie und anderen Sexismen in den Angstzentren der heterosexistisch aufgestachelten Mehrheit der Gesellschaft, die höchstens oberflächliche neue "Toleranz" gegenüber falsch zugewiesenen Menschen, die dennoch nach wie vor weder gegen die 4-9 mal höhere Arbeitslosen- Suizid- oder Gewaltbetroffenheitsrate geholfen hat, noch sonstige Verbesserungen herbeigeführt hat, die über einen Stammplatz in feindbildfixierten Talkshows, exotikfixierten Unterschicht-Dokusendungen und Fetisch- bis "Abartigkeits"-basierten (im Sinne von Bestrafung, Erniedrigung usw.) Pornos, Bordellen und SM-Studios mit besonders negativer Konnotation hinausgegangen wäre, wird ignoriert und hoffnungsverliebt übersehen.

Dabei wird dann auch gern vergessen, dass die einst als „Stars“ oder Beispiele sozialer Akzeptanz gefeierten Frauen und Männer, denen man ihr Leben durch Zuweisungen eines falschen Geschlechts versaute, wie Wendy Carlos, Thomas Beatie oder Balian Buschbaum nur mit allen Nachteilen einer ausgehandelten Erduldung Asyl in die genitalistische, d.h. anatomie-sexistische Öffentlichkeit gewährt wurde. So wird bei Nennung ihrer Namen in offiziellen Bezügen (von Wikipedia bis zur Schlagzeile irgendeiner Zeitung oder öffentlichen [ENT-!]Würdigung) ganz selbstverständlich stets auch der falsche, bei Geburt zugewiesene Vorname und der stigmatisierende, Heterosexismus stabilisierende Hinweis, „in einem männlichen“ bzw. „in einem weiblichen“ Körper geboren zu sein, angegeben, was mittlerweile sogar im Falle einer Nicht-Nennung nachträglich vom Publikum oder der „aufmerksamen“ Leserschaft ergänzt wird.

Wenn Normen wie die vermeintliche Integration falsch zugewiesener, zumindest im Fall Prominenter, zum Preis eines damit einhergehenden selbstverständlichen stetigen und als „richtig und gerecht“ abgenickten Verweises auf den vorherigen Zwang und „die Notwendigkeit und Richtigkeit“, im falschen Geschlecht behandelt und benannt worden zu sein („wir heucheln heute Akzeptanz, dafür heuchelst du, Mann/Frau gewesen zu sein und dein Geschlecht gewechselt zu haben“, ganz im Sinne der erzwungenen „Praxis des Geständnisses“ [Focault, Sexualitätsdispositiv]) und die Schaffung von optischen, gut gemeinten Kategorien wie „transsexuelles Aussehen“ (nee klar, es galt ja auch immer schon als absolutes Kompliment, dass man „wie eine Transe aussieht“, wie konnte ich das vergessen oder denken, das würde demnächst nicht als total cool gewertet werden) als Fortschritt oder gar Schritt in Richtung Emanzipation und Akzeptanz gesehen werden soll, dann möchte ich mich von nun an von ganzem Herzen für einen Weg zurück in die „fremdbestimmte“ Steinzeit einsetzen.
two biological sexes = one manmade lie
http://antigenitalistischeoffensive2013.tumblr.com/

Antworten